(Ari Nadkarni)

Die Diskussion ging bis zum Staatenbundesverfassungsgerichtshof, wo Lobbyisten und Menschenrechtler wechselseitig argumentativ und, im Falle eines sehr engagierten, emotionalen und beschwipsten Hippies sogar wortwörtlich, Fußtreten spielten. Die Seite des Konzerns hatte jedoch die Argumente der Gegenseite mithilfe des halben Hähnchens vorhergesehen und konnte sie so nach reichlich Überlegung und ein, zwei Freundlichkeiten an die Staatenbundesverfassungsrichter widerlegen. Somit war die Debatte aus der Welt geschafft.
Doch wo man nicht mehr debattieren darf, da wächst Unmut und der Unmut wuchs mit jedem ermordeten Tellerwäscher und Pfandflaschensammler, dessen Tod nun – die Welt war mittlerweile ja von sonstigen spannenden Massenhinrichtungen, Flutkatastrophen und Hautcremefragen befreit – ein gewaltiges Spektakel darstellte und von den Medien, mangels größerer Katastrophen, bis ins letzte Detail ausgeschlachtet wurde. Und wie die Medien beschlossen, die Schicksale der kleinen Leute auszuschlachten, so beschlossen die kleinen Leute, das halbe Hühnchen zu schlachten; sicherlich eine fragliche Logik – andern die Lebensversicherung zu nehmen, weil man selber keine hat. Durchaus seltsam … aber so steht es geschrieben.
Natürlich wussten die kleinen Leute, dass sie bei jedem geplanten Anschlag auf das halbe Hühnchen sofort gepackt werden würden, weil es eine entsprechende Vorhersage geben würde. Da erschien guter Rat zunächst teuer. Doch dann hatten sie einen Plan: Sie wussten, das halbe Hühnchen wäre nur in der Lage, 80 000 Vorhersagen im Jahr zu treffen. Kurzum beschlossen 80 001 von den Bewohnern des Staatenbundes, über das Jahr verteilt das halbe Hähnchen mit Sprengköpfen zu versehen.
So geschah es und bis zum 30. Dezember 2067 wurden 80 000 Bürger dabei gefasst, wie sie versuchten, das halbe Hähnchen zu zerstören, wodurch sie dieses zwar nicht sprengten, dafür aber die Gefängniskapazitäten der näheren Umgebung, sodass man Hühnerställe umfunktionieren musste, um jedem Übeltäter seinen Käfig zu gewähren.
Am 31. Dezember jedoch, als das halbe Hähnchen keine Botschaften mehr ausspucken konnte, machte sich eine kleine Gruppe militanter, kleinbürgerlicher Männer, die sogenannte Guy Force, auf den Weg zum halben Hähnchen, bewaffnet mit Dynamit und einer gefährlichen Backpulver-Essig-Mischung und setzten ihre Ladungen und um Punkt 0 Uhr. Gerade als das halbe Hähnchen die Meldung seiner eigenen Zerstörung herein bekam, flog es in die Luft und landete nie wieder in einem Stück. Neben zahlreichen Feuerwerksraketen sausten so auch tausende und abertausende metaphorische Federn durch die Atmosphäre und als sie am nächsten Morgen alle zu Boden gefallen waren, da war die Erde ganz weiß, gehüllt in einen federnen Mantel der Unschuld und obwohl, oder vielleicht gerade weil es kein halbes Hähnchen mehr gab, kehrte auf Erden paradiesischer Frieden ein.

Zurück zur letzten Entscheidung.

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