Keine Beleidigung härter, kein Salz in der Wunde schmerzhafter, als ein wohlplatziertes Kompliment.
„Bin ich zu spät?“, fragte Mina. Das abgewetzte Zirkuszelt, in das sie gerade eingetreten war, flatterte im auffrischenden Wind.
„Ah, bonjour petit madame. Zu spät? Was heißt zu spät? Komm näher.“ Der große Jean Marseille saß auf der untersten Ebene der Zuschauertribüne. Sein geschminktes Gesicht lag zur Hälfte im Schatten. Der falsche Mund wirkte in dem schwachen Licht blutrot. Als hätte man ihn aufgeschnitten, dachte Mina und bereute beinahe, dass sie gekommen war.
Wer mit eingebauter Sitzheizung getragen wird, sollte akzeptieren, dass die Grenze zwischen Bezahlung und Bestechung verschwimmt.
Zum Flughafen Charles de Gaulle hatten sie es immerhin geschafft, das war ein Schritt in die richtige Richtung. Marie wollte unbedingt nach Hause und verspürte keinerlei Lust auf eine weitere Nacht in Paris. Als freie Journalistin war sie in der französischen Hauptstadt gewesen, um für „die Kunstzeitung“ über die Ausstellung „Kunst, Film & Politik“ von Dario Azzellini zu berichten. Als es während der Ausstellungseröffnung im Centre Pompidou zu schneien begann, wusste sie sofort, dass schnelles Handeln gefordert war.