(Malte Klingenhäger)

„Der hier ist auch gut: Wenn alle Stricke reißen, lach‘ ich mich eben tot – genial, oder? Wer denkt sich sowas aus?“ las Juan laut lachend vor. Bao war genervt. Er versuchte an seinem Holster vorbei einen Schokoriegel aus seiner Hosentasche zu fischen, ohne dabei den Taser auszulösen, der dort baumelte. Das war ihm schon einmal passiert und hatte eine kleine Brandnarbe an seinem Oberschenkel hinterlassen, auf die seine Frau – trotz der Beteuerungen seiner Kollegen – absolut nicht stand. Aber der Schokoriegel war seine Belohnung dafür, das gesunde Mittagspaket anstandslos aufgegessen zu haben. Alles Bio, alles bäh und dazu umrahmt von Juans steten Versuchen, Konversation zu führen. Der Schokoriegel musste einfach sein. Sein Partner starrte derweil bloß an die Wand, surfte auf seinem Augendisplay durch die Weiten des Netzes und gab hin und wieder die dummen Sprüche zum Besten, die er dort auftat. Der junge Mann mit den kurzen blonden Haaren war erst seit zwei Wochen Baos Partner. Ein Sicherheitstechniker, der jetzt an seiner Seite für die Überwachungstechnik der sonst vollautomatisch gesicherten Henne verantwortlich war. Überprüfen, Einschätzen und entsprechend ein Technikteam oder den Katastrophenschutz einschalten. Juan war vorher in der Abteilung gewesen, welche die ständigen Demonstrationen im Außenbereich vor der Henne im Auge behielt und dort die Sicherheitsteams koordinierte. Das war wohl zu zermürbend für ihn gewesen. Die Demonstranten waren nicht immer zimperlich. Besonders schlimm wurde es, wenn sie sich untereinander zofften. Beispielsweise jene, die behaupteten, in der Henne werkle ein schwarzes Loch gegen diejenigen, die eine große Verschwörung zu erkennen glaubten, und nach deren Meinung das Gebäude leer stand und all die Energie bloß zurückgehalten wurde, um die Preise zu treiben. Oder völlig Irrsinnige, wie der Familienvater, der seine Frau vor einigen Jahren verloren hatte und nun der Meinung gewesen war, er könne dafür sorgen, dass eine rettende Nachricht in die Vergangenheit geschickt würde, wenn er nur genug Zivilisten abknallte. Eine Riesensauerei war das gewesen. Hier drinnen war es bedeutend ruhiger. Trotzdem waren Juan und er nicht bloß Techniker, sondern hatten auch eine Ausbildung zum Fachwachpersonal absolviert. Nur für den Fall.
Als ob er Baos Gedanken erraten hätte, fragte Juan: „Glaubst du manchmal, sie haben Recht?“
„Wer und womit“, fragte Bao abwesend. Seine Hand hatte den Schokoriegel endlich zu fassen bekommen.
„Die Skeptiker, die Leute da draußen“, antwortete Juan und Bao fragte sich, ob die hier eingesetzten Beamten heutzutage nicht mehr so penibel durchleuchtet wurden, wie zu seiner Zeit. Er biss in den Schokoriegel.
„Ich meine ja bloß, dass einiges von dem, was sie sagen, gar nicht dumm klingt“, fuhr der junge Mann fort. „Ihre Argumente sind gar nicht so radikal, wie immer behauptet wird.“
„Zum Beispiel?“, fragte Juan, der neugierig geworden war.
„Sie hinterfragen zum Beispiel die Tatsache, dass wir bis heute keine Nachrichten aus der Zukunft bekommen, die länger als die Zeichenlimitation sind, die wir heute haben. Dabei müssten wir in Zukunft weit mehr Energie zur Verfügung haben als heute. Fortschritt und so!“
„Das hat uns die Physik doch erklärt. Der Energieverbrauch steigt exponentiell an. Sie sagen, es wäre unmöglich, dass wir in Zukunft so viel Energie erzeugen, speichern und bändigen könnten, dass die Nachrichten länger würden.“
„Es hieß auch mal, Henne und Ei wären unmöglich. Oder das die Erde eine Scheibe sei, die Lichtgeschwindigkeit eine endgültige Grenze …“
„Wir sind inzwischen einfach weiter. Wir kennen die Tricks des Universums und das Universum kennt unsere. “
„Aber zumindest sollten wir doch häufiger Nachrichten bekommen, wenn sie schon nicht länger werden. Es müssen doch neue Energiequellen erschlossen werden. Daran forscht man doch auch heute schon.“
„Und was soll das heißen?“
„Das heißt, dass der Fortschritt irgendwann in Zukunft stoppt. Und was auch immer den Fortschritt aufhält, es wird uns aus der Zukunft nicht angekündigt. Also muss das Problem im System selbst liegen. Da gibt es viele Theorien über alle möglichen Katastrophen und ich bin mir nicht sicher, welche wahrscheinlicher ist. Aber die grundlegende Annahme finde ich absolut logisch und das macht mir schon ein bisschen Angst.“ Den letzten Satz flüstere Juan verschwörerisch.
Damit hatte Juan Bao einen Floh ins Ohr gesetzt, der seine graue Masse noch eine Weile jucken würde.

War es möglich, dass die Demonstranten Recht hatten und man die Henne besser abschalten sollte?

>> JA! vs. >> NEIN!

oder

Zurück zur letzten Entscheidung.

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