Dierk Seidel

Eine Projektwoche ist eine Projektwoche

Projektwochen in der Schule sind ein spannendes Unterfangen. Sie kommen meist genauso überraschend wie Weihnachten. Man schaut sich das Oberthema an und bereitet als Lehrkraft Sachen vor, die ein wenig Abwechslung zum regulären Schulalltag bieten. Handlungskompetenz steht hier im Vordergrund und Dinge, die sonst zu kurz kommen, alles in kleinen Gruppen. So weit so gut. Die Gruppengröße variiert mit der Zeit in die Höhe aufgrund erkrankter Kolleg:innen und sinkt dann wieder aufgrund erkrankter Schüler:innen. Es ist Herbst.

Während der Woche stellt man fest, dass viele Schüler:innen motiviert sind, aber auch einige gar nicht. Wie im Alltag auch. Warum sollte es plötzlich anders sein?

Grundsätzlich wäre es natürlich schön, die Kinder einfach mal machen zu lassen. Ich erinnere mich, dass ich mit meinem damaligen Schulfreund, Helge, in der fünften oder sechsten Klasse das Projekt „Altes Ägypten“ hatte. Hinter der Garage vom Haus, in dem Helge wohnte, waren Backsteine gestapelt. Wir schleppten einen Haufen Backsteine zur Schule, was schon den ersten Projekttag in Anspruch nahm, und bauten eine Pyramide mit Geheimgängen. In der Mitte hatten wir eine Bretterkonstruktion, so dass man mit Seilen den oberen Teil hochheben konnte und die Geheimgänge erforschen konnte.

Damals hieß Projektwoche, jede Klassenlehrerin oder jeder Klassenlehrer betreute ihre oder seine Klasse und die Kinder brachten eigene Projekte mit. Heute wird viel vorgegeben. Bei gegebenen Freiheiten stehen viele, natürlich nicht alle, Schüler:innen auf dem Schlauch. Da müsste man vielleicht mal dran arbeiten – ein nächstes Projekt.

Ich stelle mir eine Projektwoche in einem Unternehmen vor, das ohnehin projektorientiert arbeitet.

Chefin oder Chef kommt eines Tages an und sagt:

„Hallo, wir machen ja normalerweise dies, das, Projekte eben. Nun machen wir es anders. Wir machen Projektwoche.“

„Was bedeutet das? Müssen wir unser Projekt in einer Woche fertig haben?“, fragt Rüdiger. „Nein, oder ja doch, aber anders. Wir gucken uns an, wie die Menschen früher im alten Rom Steuerklärungen gemacht haben. Das Motto unserer Woche ist: Ganz, ganz früher.“

Rüdiger stöhnt auf:

„Ich kann keine Steuern. Nur Gedichte.“

„Das ging Goethe auch so“, sagt Chefin oder Chef.

„Bin ich also im völlig falschen Betrieb?“

„Betrachten Sie es als Ihr Projekt, das herauszufinden.“