Dierk Seidel

Ringo Ringer und die Liebe

Ringo Ringer war noch recht neu in der Klasse 6f und in der Stadt Münster. Er und seine Mutter waren aus Paderborn hierhergezogen, wegen der Arbeit sagte seine Mutter immer, aber eigentlich war es für einen Mann. Denn bei dem wohnten sie jetzt. Der Mann hieß Günther und war etwas älter und ging Ringo Ringer ziemlich auf die Nerven, weil er immer so tat, als wüsste er alles. Er fing dann immer so an: „Ich habe ja schon viel mitgemacht und kann dir sagen…“ Und ab da hörte Ringo Ringer schon gar nicht mehr zu. Immerhin hatte seine Mutter auch Arbeit in einer Drogerie gefunden. Das freute ihn. Ringo Ringer kam kurz vor Weihnachten in die 6f und betrachtete alles Neue sehr skeptisch. Das Erste, was er erfuhr, waren Geschichten über seinen Klassenkameraden Lila Panini, der angeblich mit irgendeinem Zauberwesen befreundet sei. Auch hier war die Skepsis groß. Einige Zeit später wurde er zwar eines Besseren belehrt, doch so richtig warm wurde er nicht mit dem Zauberwesen und Lila Panini. Das war aber auch ganz okay für ihn. Er fand andere Freunde in der Klasse: Lena, Fatima, Sina, Kalem und Paul.

Letztes Wochenende gab es ein großes Fest am Aasee. Sie waren mit der gesamten Klasse da und es war super. Am Ende beim Aufräumen sah er ein Mädchen, das er schon mal an der Schule gesehen hatte. Aber er bekam das immer noch nicht so ganz auf die Reihe, wo genau. Es war eine sehr große Schule. Er konnte nicht mal sagen warum, aber immer wieder ploppte sie vor seinen Augen auf. Was hatte das zu bedeuten?

Heute gab es Zeugnisse und die großen Ferien standen kurz bevor.

„So. Ich gehe jetzt rum und teile eure Zeugnisse aus. Ich bin danach noch einen Moment hier, falls ihr noch Fragen habt, auf der Rückseite findet ihr eure Zuteilung für das Wahlpflichtfach ab Klasse 7. Habt schöne Ferien“, sagte Frau Müller-Rose-Neubau-Felsdorn. Dann verteilte sie die Zeugnisse. Einige freuten sich und andere, wie Ringo Ringer, stöhnten. Ich muss echt mal wacher sein im Unterricht, dachte er. Als seine Freunde auch ihre Zeugnisse hatten, umringten sie den Tisch von Ringo und Kalem.

„Morgen geht es schon nach Holland auf den Campingplatz, wie jedes Jahr, gar keinen Bock“, sagte Paul.

Und Fatima ergänzte: „Wir fahren direkt um 13 Uhr heute nach Düsseldorf zum Flughafen und dann geht es zu meinen Großeltern in die Türkei. Sechs Wochen, wie jedes Jahr und wie jedes Jahr gleich langweilig.

Die anderen erzählten ebenfalls ihre Pläne und Sina schloss mit den Worten:
„Und dann bin ich nur in der zweiten Woche mal kurz hier.“

Nun starrten alle Ringo Ringer an, denn er hatte noch nichts erzählt.

„Bin zu Hause, meine Mutter muss arbeiten.“

Kalem klopft ihm auf die Schulter und Sina sagte:

„Dann lass uns auf jeden Fall in der zweiten Woche treffen.“

Sie verabschiedeten sich und gingen in die Ferien. Nur Ringo Ringer ging nirgends hin, sondern saß noch ein wenig auf dem Schulhof herum und träumte von dem Mädchen vom Aasee. Er würde sie gerne wiedersehen. Aber wie?

Die erste Ferienwoche irrte Ringo immer wieder durch die Stadt, einmal war er sogar im Freibad, aber so allein machte das keinen Spaß. Nun saß er am Hafen und schaute rüber zur Hafenkäserei. Würde ich Käse mögen, wäre das sicher der beste Ort, dachte er. Sein Blick schweifte nach links und dann sah er sie. Sie sah einfach perfekt aus und Ringo fragte sich, ob sie auch perfekt war. Was sagte schon das Aussehen, wenn sie innerlich total ätzend war. So war das ja bei dem Freund seiner Mutter. Der sah zwar ganz ordentlich aus, war aber menschlich eine totale Niete. Aber hier bei dem Mädchen aus seiner Schule würde er es ohnehin nie erfahren.

Er schaute immer mal wieder zu ihr hin und hoffte, dass sie auch zu ihm schauen würde, aber sie blickte immer nur nach vorne aufs Wasser oder auf ihr Smartphone. Bestimmt schreibt sie gerade ihrem Freund, dachte Ringo.

Nach einiger Zeit ging sie davon und Ringo wartete noch ein wenig. Es sollte bloß nicht so wirken, als folge er ihr.

Bis Sina aus dem Urlaub zurück kam, war Ringo nun jeden Tag am Hafen und las Bücher, die er sich aus der Stadtbücherei auslieh. Sein Smartphone ließ er schon am dritten Tag in den Hafen fallen.

Das Mädchen aus seiner Schule kam nicht noch einmal, aber Sina kam und Ringo erzählte ihr alles.

„Da hast du ja richtig was erlebt hier“; sagte Sina.

„Ferien zuhause sind einfach nicht so die besten.“

„Naja, immerhin hattest du immer die Hoffnung, das Mädchen wiederzusehen. Auch wenn ich mich frage, was du gemacht hättest, wenn sie hier wieder aufgetaucht wäre.“

„Nichts, was hätte ich tun sollen, ich hätte mich einfach gefreut, sie wiederzusehen.“

„Aber hast du nicht vor, sie zu suchen? Sie mal anzusprechen? Mit ihr ins Kino zu gehen?“

„Nein, denn dann könnte ich ja feststellen, dass sie nicht perfekt ist. Außerdem kann es ja sein, dass ich sie zufällig nach den Ferien in der Schule treffe und dann kann man ja immer noch sehen.“

„Du bist feige, Ringo Ringer.“

Und dann ging Sina zu ihrem Fahrrad und fuhr nach Hause. Morgen ging es in den nächsten Urlaub.

Ich bin nicht feige, dachte Ringo Ringer, ich bin verliebt, hoffnungslos verliebt.