Torsten Schoeneberg

Ein Fahrer in Teheran

„See, you are a VIP“ sagt Ali, als ich, durch den Zoll gewinkt, von der Gepäckausgabe komme. Neben ihm steht ein sehr kleiner Mann in weißem Hemd und mit ganz schwarzen Haaren, der schüchtern lächelt und ein Schild mit meinem Namen hochhält: Sie haben mir einen Fahrer hingestellt, um 5 Uhr früh am Imam-Khomeini-Flughafen. Ich verabschiede mich von Ali, wir haben Telephonnummern und Mailadressen schon im Flieger ausgetauscht.

Der kleine Mann trägt eine meiner Taschen und entschuldigt sich vorsorglich für sein schlechtes Englisch. Seinen Namen vergesse ich gleich wieder. Mit einem Aufzug ins Parkhaus hoch, die Autos dicht an dicht und da stehen Einweiser mit Mützen, alles wirkt staubig. Wir rangieren aus, da fällt mir ein, ich sollte im Flughafen Geld umtauschen, mache es ihm begreiflich und er sucht lächelnd einen neuen Parkplatz. Hier und da stoßen Autos aneinander. Ich entschuldige mich für die Umstände, mehrfach. Er lächelt. Wir zurück, Aufzug, Flughafenhalle, Rolltreppe, Wechselstube, verschleierte gelangweilte alte Frauen. Ich gebe einer das Geld, sie tippt in den Rechner und gibt mir ein Riesenbündel. Er zählt dreimal nach und zweifelt an etwas, aber sagt nichts. Nur eins versteht er nicht: „Why, mister?“ Warum ich Geld bräuchte. Ich sei doch Gast.

06-2015-Torsten-Schöneberg-Kurzgeschichten-Menschen-Ein-Fahrer-in-TeheranIm Auto. Er ist 27. Karg, auch im gemergelten Gesicht, wie hungernd, ich hätte ihn älter geschätzt. Aber jungenhaft sieht er aus, wenn er lacht. Er hustet manchmal. Aufs Khomeini-Mausoleum deutet er, aber weiß es nicht auf Englisch zu erklären. Ob es in Ordnung sei, wenn er Musik anmache? Und dann beginnt das erste Lied mit einer Harmonika; ich krame meine Harmonika aus der Tasche auf dem Rücksitz hervor, er lächelt. Dann singt eine mir unbekannte Stimme von „one man travelling band, writing down poems on the back of my hand, only hoping you will understand“, er versteht wohl kein Wort davon, aber ich muß ein Video von dieser Fahrt machen, und als er sieht, daß ich filme, grinst er und dreht die Musik lauter.

Wir passieren eine Mautstation. Sein Musikmix enthält auch Elektronik, etwas Persisches und Lady in Red. Zum Glück seien wir früh, sagt er, später sei „very many traffic“, in Teheran sei meist „very many traffic“. Er hustet. – Ob er verheiratet sei? Er kennt das englische Wort nicht, erst beim dritten Versuch versteht er, daß ich ihn etwas frage. Neinnein, Single. Seine Mutter werde noch eine gute Frau für ihn finden.

Von den großen neuen Highways nennt er die Namen. Ab und an sieht man einzelne junge Männer in Uniform daran entlang gehen, einmal fährt einer auf einem Motorrad. Es gibt eine neue Nord-Süd-Achse durch die Stadt. „Later very many traffic“.

„Mister …“ – ob ich an Fußball interessiert sei? Er fährt mich am Haus von Ali Daei vorbei. Es ist riesig und leuchtet in die Nacht, heller als eine Moschee vorhin. Einmal telephoniert er: „office“. Er lächelt.

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