Dierk Seidel

Warten auf das A in der Luft

Manchmal frage ich mich, warum alles so gelaufen ist, wie es dann eben gelaufen ist. Wir waren verrückt. Ich verrückt nach dir, du verrückt nach mir und jedes Mal, wenn wir zusammen aßen, uns unterhielten und festhielten, dass aber doch niemals was Ernstes aus uns werden würde, malte der Gastwirt ein großes A in die Luft. A für absurd. Und das war es ja auch. Ich liebte dich, du liebtest mich. Aber mehr würde nicht passieren.

Manchmal lässt der Busfahrer der Linie 14 Leute aussteigen, die mit ihrem Handy telefonieren, weil irgendwo noch ein altes Schild hängt, dass man im Bus nicht telefonieren darf und manchmal brüllt er dabei cholerisch rum und alle Menschen schütteln den Kopf und dann kommt ein Mann, der aussieht wie Roger Waters, in den Bus und malt ein großes A für absurd in die Luft.

Manchmal ruft ein Querdenker laut: „Ich höre jetzt auf, ein Arschloch zu sein.“ Und kurz danach kommt ein A angeflogen. Absurd.

Manchmal fragt man sich, ob es nicht absurd ist, Lockerungen zu beschließen, obwohl die Zahlen steigen.

Und manchmal fragt man sich, ob es nicht völlig absurd wäre, wenn der Wunsch nach Normalität und Lockerungen nicht vorhanden wäre.

Und dennoch schwebt doch immer wieder dieses „A“ im Raum, immer wieder. Immer wieder dieses eine Wort: absurd.

Manchmal ist das Absurdschild kaputt und gerade dann müsste man ganz viele Schilder aufhängen. Sie schweben wie Plakate der Erinnerung über unseren Köpfen, sie schweben über uns, wie eine Leuchtstoffröhre in der Nacht.

Und manchmal sitze ich auf dem Dach, auf dem Tisch, auf der Bank, auf der Rutsche im Schwimmbad, auf dem Trampolin am Strand, auf der Antilope im Galopp, auf der Musik, die sich durch meine Gedanken zieht.

Und dann denke ich an Busfahrer, die keine Handys mögen, ich denke an Autofahrer:innen, die keine Fahrradfahrer:innen mögen, ich denke an Fahrradfahrer:innen, die keine Verkehrsregeln kennen, denke an die Querdenker:innen dieser Welt, an politische Entscheidungen, die mehr Verwirrung hinterlassen, als Erklärungen, denke an Aliens, die wahrscheinlich niemals zu uns kommen.

Und dann male ich mit heller Farbe ein „A“ in die Luft.

Und dann steht der beste Freund plötzlich, nach einer Reise um die halbe Welt, vor der Tür, weil er gemerkt hat, dass etwas nicht stimmt.