Dierk Seidel

Spieleabend in Ostfriesland

Bert und Marten veranstalteten immer mal wieder Spieleabende bei Marten. Das war eine runde Sache, gegen Spieleabend hatte Berts Mutter nichts einzuwenden, da war es dann auch kein Problem, wenn er erst spät in der Nacht nach Hause kam. Und meistens war es ja auch so, dass es ein Spieleabend war, doch manchmal gingen sie in die Kneipe und trafen sich mit Freunden.

Heute hatten die beiden in einer Kneipe Fußball geschaut und waren im Anschluss noch ein wenig versackt. Es war kurz nach Mitternacht und Bert und Marten radelten wachsam und angespannt am Hafen entlang Richtung Bahnschienen, wo sich ihr Weg trennen sollte. Kein Licht, kein Geld und kein Perso. Den hatte Bert immer noch nicht beantragt. Er brauchte ihn bislang nie.

„Achtung, Bert, da, die Bullen, schnell schieben!“, rief Marten.

Sofort sprangen die beiden von ihren Rädern, schoben und sahen aus den Augenwinkeln, wie das Polizeiauto abbog.

„Puh, Glück gehabt“, sagte Bert, „ich habe kein Geld mehr dabei. Außerdem ist es nach zwölf, ich darf gar nicht mehr hier sein.“

„Beruhig dich mal, das interessiert die doch null, wer hier nachts unterwegs ist“, sagte Marten.

Doch an der nächsten Kreuzung stand das Polizeiauto und zwei Polizisten lehnten mit verschränkten Armen am Wagen und warteten.

„Da haben wir euch zwei, einfach ohne Licht durch die Gegend radeln, das haben wir gerne“, sagte der etwas ältere Polizist.

„So ein Quatsch, wir haben direkt an der Passage in der Stadt gemerkt, dass unsere Lichter nicht gehen und sind gelaufen“, erklärte Marten.

„Wir haben euch am Anfang der Ledastraße gesehen, Jungs, ohne Licht, und nun macht kein Theater.“

„Moment mal“, jetzt kam Berts Chance, „erstmal, wenn es so wäre, dass wir wirklich ohne Licht gefahren wären, wie konnten Sie uns denn dann sehen? Und zweitens, wenn Sie uns tatsächlich gesehen haben sollten, dann stellt sich mir aber gewaltig die Frage, ob es nicht völlig unverhältnismäßig wäre, uns nun wegen eines nicht funktionierenden Lichts anzuhalten.“

„Du bestichst ja mit ´ner Wahnsinnslogik, Kleiner, und nun holt mal eure Ausweise und zehn Euro heraus, dann ist die Sache hier schnell erledigt und ihr könnt ins Bett“, sagte nun der andere Polizist.

Marten gab seinen Ausweis hin und Bert diktierte seine Daten.

Der jüngere Polizist zuckte zusammen und sagte zu Bert:

„16, du darfst ja gar nicht mehr unterwegs sein.“

„Ach, Manfred, lass gut sein. Kein Theater heute Nacht“, sagte der andere, „und die zehn Euro, Jungs!“

„Wir haben keine Kohle mehr dabei“, sagte Marten.

„Gut, dann bekommt ihr eben Post vom Landkreis nach Hause“, sagte Polizist Manfred.

Marten zuckte mit den Schultern und fing an, sich mit dem älteren Polizisten über Fußball zu unterhalten.

Bert so: „Ne, das geht nicht, gibt es nicht ´ne Lösung ohne Brief nach Hause?“

Er fürchtete das Ende der Spieleabende. Polizist Manfred dachte kurz nach.

„Ihr könnt morgen bis 10 Uhr zur Wache kommen und bar zahlen, dann ist alles gut und nun schön nach Hause laufen.“

Dann stiegen die beiden ein und fuhren davon. Bert und Marten warteten noch kurz, schwangen sich dann auf ihre Räder und fuhren los.

Bert sagte: „Marten, das ist Mist mit dem Brief nach Hause, wir müssen da morgen hin, aber ich habe keine Kohlen mehr.“

„Ich glaube, ich habe noch 20 Euro auf meinem Konto“, sagte Marten, „lass mal morgen um viertel vor zehn bei der Sparkasse treffen.“

Und dann trennten sich ihre Wege.

Am nächsten Morgen waren alle überrascht, dass Bert so früh auf war.

„Ich muss noch was Dringendes mit Marten besprechen“, rief er und fuhr los.

Nach der Bank beglichen sie ihre Schulden bei der Polizei, reparierten in Martens Fahrradschuppen die Lichter und holten im Garten das verpatzte Ausschlafen nach.