Dierk Seidel

Sechs Gespräche

1. Im Park

„Weißt du noch, als ich dich fragte, ob du noch weißt, wie wir letzte Woche zusammen spazieren gingen? Und du dann sagtest, ja, das war schön. Und heute, was sagst du heute?“

„Ich sage, dass es nun mindestens zwei Wochen her ist. Aber schön war es und es bleibt in Erinnerung. So schön.“

„Vielleicht sollten wir das mal wiederholen. Einfach mal gucken, ob es nochmal so schön ist.“

„Nein, denn wir könnten enttäuscht werden.“

Dann zog sie an der Leine und rief:

„Zorro, auf geht’s.“

Er starrte ihr noch lange hinterher. Ihr und Zorro, dem Hund.

2. Im Theater

„Stehen Sie bitte auf, das ist mein Platz.“

„Nun machen Sie doch nicht so ein Theater, hier ist doch alles frei.“

„Ich bestehe auf den Platz, der auf meinem Billett steht.“

„Wenn Sie bestehen, dann bleiben Sie doch stehen. Ich bleibe hier sitzen. Ich habe mein Popcorn schon verbreitet. Der Platz ist markiert.“

„Popcorn im Theater. Das ist ungewöhnlich.“

„Warum? Das ist doch ein Filmtheater, da ist Popcorn doch nichts Ungewöhnliches. Manch einer bevorzugt Nachos. Ich aber nicht.“

„Wie? Das ist kein richtiges Theater mit Menschen?“

„Na, sicher ist das mit Menschen, aber nicht live. Und nun setzen Sie sich endlich, der Film fängt gleich an.“

„Aber Sie sitzen ja auf meinem Platz.“

„Wir sind die einzigen hier im Saal. Alles ist frei. Wo ist ihr Problem?“

„Zum Beispiel die Kontaktnachverfolgung.“

„Ich bin drei G: genesen, geimpft und getestet. Exakt in dieser Reihenfolge. Setzen Sie sich einfach hin. Ich habe auch noch eine extra Tüte Popcorn für Sie.“

„Mir geht das alles zu schnell.“

„Keine Sorge, wenn Sie erstmal wissen, was hier für ein Film läuft, wird alles gut.“

„Erzählen Sie es mir?“

„Man wird sehen.“

Er stand auf, rückte zwei Plätze weiter und zeigte auf ihren Platz. Der Vorhangwurde geöffnet. Der Film begann.

3. Beim Zahnarzt

„Wenn es weh tut, sagen Sie Bescheid.“

„Mmmh ähh, uiooo.“

„Wie bitte?“

„Ör ohh, mmh.“

„Ach, so. Es tut weh? Warum sagen Sie das nicht gleich?“

„Mmm, gggr, üüh.“

„Na, jetzt sind wir gleich durch, da hätten Sie mal früher etwas sagen müssen.“

4. Bei der Post

„Ich habe hier diesen Brief. Der soll nach Kiel, aber ich habe weder die Postleitzahl noch die Hausnummer.“

„Ja, und wie sollen wir da jetzt helfen?“

„Kennen Sie nicht alle Postleitzahlen?“

„Sie Spaßvogel. Haben Sie schon mal im Internet geschaut?“

„Ich lehne das Internet ab.“

„Ab und zu kann das aber hilfreich sein.“

„Als würde man da die Postleitzahl von Kiel finden.“

„Ja.“

„Wie, ja?“

„Ja, die findet man da.“

„Verrückt. Auch die Hausnummer?“

„Kommt drauf an.“

„Worauf?“

„Ob der Adressat oder die Adressatin die Adresse für das digitale Telefonbuch freigegeben hat.“

„Meine Tante Hilde hat kein Internet. Dann wird die wohl auch nicht im Internet stehen.“

„Ach, ihre Tante Hilde. Rufen Sie sie doch an und fragen nach der Adresse.“

„Sie sind wohl ein ganz schlauer.“

„Ja.“

„Wie, ja?“

„Ja.“

„Ach so. Dann gehe ich mal.“

Person zückt Smartphone und ruft Tante Hilde an.

5. Im Zug

„Ich habe morgens keine Zeit, um mit dem Glätteisen über meine Haare zu gehen.“

„Ja, der Wirbel. Bei mir auch. Der Wirbel. Ich habe keine Lust, wie ein Teufel rumzulaufen.“

„Ja, das kenn ich. Aber da muss man durch. Kann ich ja nichts für.“

„Also ich nehme mir morgens die Zeit dafür. Also für das Glätteisen.“

„Ich nehme mir lieber die Zeitung.“

Wirbel 1 nimmt sich eine Zeitung und liest demonstrativ.

6. Am Strand

Drei Kinder zwischen acht und zehn Jahren beim Volleyball spielen. Kind 3 sagt nichts.

Kind 1: „Wer von euch beiden ist intelligenter?“

Kind 2: „Das hängt davon ab. Ich bin ja zwei Jahre älter.“

Kind 1: „Ah. Okay.“

Kind 1: „Kennst du Walter Moers, den Schriftsteller?“

Kind 2: „Ne.“

Kind 1 zählt alle Bücher von Moers auf.

Kind 1: „Die sind eigentlich alle ganz gut.“

Kind 2: „Ich fand mal Hitchcock ganz gut.“

Kind 1: „Das ist auch bei den drei Fragezeichen so peinlich …“

Kind 2: „Spielst du Fußball im Verein?“

Kind 1: „Nein, ich mag lieber Basketball.“

Kind 2: „So hat jeder seine Meinung.“