Dierk Seidel

Während ich überlege, ob ich zum 50. Text in der Rubrik „Dierks Perspektbriefwechsel“ und zum Abschluss des Jahres etwas ganz Aufregendes schreiben sollte, passiert Folgendes:

Des Weges

Ich biege vom Mettjeweg in die Eisinghausener Straße und gehe immer weiter. Es ist kalt, aber die Sonne scheint. Ich weiß gar nicht, wohin ich eigentlich will. Ich denke nach. Einige Hundert Meter weiter, noch hinter dem Einkaufszentrum und der Autobahn, müsste es einen Weg zum Westerhammrich, einem Weidegebiet und irgendwie auch Naherholungsgebiet am Rand der Kleinstadt, geben. Zu Schulsportzeiten sind wir mal mit dem Laufkurs dort rausgekommen. Ich habe also ein Ziel. Stelle meine Uhr in den Tracking-Modus. Einfach später sehen können, wie viel das so war.

Kurz vor dem Einkaufszentrum ist ein Neubaugebiet. „Eisinghausen“ steht an der Zufahrtsstraße. Links an der Straße sehe ich einen Gulfhof. Die Überreste der alten Siedlung.

Ich gehe am Einkaufszentrum vorbei. Im Gewerbegebiet daneben lernte ich vor vielen Jahren mit der Fahrschule die Gefahrenbremsung. Da gab es in der Straße noch wesentlich weniger Betriebe, sodass die Gefahrenbremsung gefahrlos möglich war.

Ich überquere eine Autobahnbrücke, gehe ca. zweihundert Meter weiter, überquere eine weitere Autobahnbrücke und befinde mich im Hammrich. Kalter Wind fegt übers flache Land. Und ich denke kurz daran, dass dieser Spaziergang gut dafür sein könnte, um das Jahr zu reflektieren. Mir kommen Menschen und Hunde entgegen. Alle sagen „Moin“, das macht man so und das ist gut.

Erinnerungen ploppen auf. Der Mitschüler, der einfach so über einen Zaun kletterte, um auf einem Pferd zu reiten. Es ließ ihn gewähren.

Die Bank, auf der ich mich mit einem guten Freund über Beziehungen austauschte.

Das kleine Wäldchen, in dem ich Robin Hood spielte. Und der Tümpel, der einfach nur da war. Meine Freunde und ich angelten nicht, der Tümpel war für uns nicht weiter interessant.

Die Wege und das ganze Gebiet wurden vor einigen Jahren neu angelegt. Gut ist es geworden.

Ich verlasse das Gebiet über die Brücke, die über die Umgehungsstraße zum Schwimmbad führt. Das Schwimmbad ist neu, aber ich sehe die Bilder von früher. Vom alten Schwimmbad, vom Schwimmenlernen, von entspannten Sommernachmittagen und -nächten. Gute Erinnerungen. Ich habe die Stadt wieder eingeholt. Sehe durch Fenster Weihnachtsbäume aus Plastik, in weiß mit roten Kugeln. Nähere mich dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Blicke auf die Uhr. 7,5 km. Da kommen noch ca. 1,5 hinzu für das späte Tracken. An den Betonpfeilern einer Brücke steht der Spruch „Fick die Leistungsgesellschaft“. Ich lächle. Stelle meine Uhr aus. Gehe weiter nach Hause und freue mich auf eine Tasse Ostfriesentee.