Dierk Seidel
Der passende Ort zum Schreiben
Wo schreibt ihr? Das war eine Frage auf Threads. Ich antwortete: „Verkürzt gesagt, in meinem Lieblingscafé, auf dem Sofa im Wohnzimmer mit Nähe zu meiner Anlage und Schallplatten und gerne im Zug. Aber es kommt immer darauf an.“ Hätte mich jemand gefragt, worauf es ankommt, hätte ich vielleicht Folgendes gesagt:
„Die Frage des Wo schließt auch die Frage Womit oder Wie mit ein, denn davon hängt vieles ab. Am Laptop kann ich grundsätzlich am besten schreiben. Das geht theoretisch überall. Praktisch, schon allein von der Sitzhaltung her, kann ich am besten zuhause am Ess- oder auch am Wohnzimmertisch schreiben, oder in meinem Lieblingscafé. Wenn ich zuhause schreibe, muss aber die Atmosphäre stimmen. Im Idealfall ist das Wohnzimmer aufgeräumt, die Tische sind frei und alles, was dringend erledigt werden muss, ist schon erledigt. Ich lege dann eine Schallplatte auf, nicht zwingend ruhige Sachen. Das kann Nick Cave sein, aber auch Feine Sahne Fischfilet. Je nachdem, was ich vorhabe, zu schreiben.
Der Idealfall kommt selten vor. Letztens las ich in der Gebrauchsanleitung meines Staubsaugers, dass man den Filter alle 6 Wochen reinigen sollte. Warum soll man den Staubsauger bei jeder Benutzung reinigen, fragte ich mich. Natürlich ist das Quatsch, ich sauge jeden zweiten Tag meine Wohnung. Immer. Aber da die Wahrheit nun mal irgendwo dazwischen liegt, gehe ich öfter ins Spec Ops, mein Lieblingscafé, und schreibe dort. Dabei kann ich meinen Blick schweifen lassen, mir überlegen, was für ein Leben die Menschen dort führen und die To-dos des Alltags für diese Schreibzeit vergessen. Gerade bei größeren Projekten sind diese beiden Orte, die richtigen Orte zum Schreiben. Durch mein Schreibprogramm habe ich alle Karteikärtchen dabei.
Neben dem Laptop greife ich mittlerweile zur Notizapp meines Smartphones. Die kann ich noch unkomplizierter überall nutzen. Neben kurzen Gedanken, oder einzelnen Sätzen entstehen darin auch vollständige erste Entwürfe von Kurzgeschichten. Erste Überarbeitungen finden dann tatsächlich auch noch am Smartphone statt, ehe ich den Text übertrage und am Laptop in Form und Inhalt überarbeite.
Die ersten Entwürfe der Geschichten entstehen gerne auf Zugfahrten zum Beispiel nach der Arbeit, wenn mich ein Impuls antreibt. Manchmal ärgere ich mich dann, wenn ich in Münster ankomme, weil ich mittendrin bin. Ich gehe schnell die Treppe hoch zu meiner Wohnung und schreibe im Wohnzimmer am Smartphone den Text zu Ende. Auf längeren Fahrten fehlt mir häufig die Motivation irgendetwas Sinnvolles zu machen. Das eingepackte Buch interessiert mich nicht genug, der Podcast, den ich schon lange hören wollte, interessiert mich heute nicht, also höre ich Musik und starre aus dem Fenster. Manchmal kommt dabei ein Gedanke, den ich festhalten will. Ich öffne meine Notizapp und schreibe die ersten Zeilen.
Aber trotz Smartphone mit Notizapp habe ich gerade auf größeren Touren immer ein Notizbuch dabei, in das ich selten, aber doch hin und wieder hineinschreibe. Häufig vergesse ich die Zeilen mit der Zeit. Später bin ich dann überrascht und freue mich über die Worte, die ich hatte – die Worte, die im Park, im Zug, im Wartezimmer, im Einkaufscenter, im Möbelhaus, am Strand, im Wohnzimmer oder in meinem Lieblingscafé entstanden sind. Der passende Ort zum Schreiben? Es kommt immer darauf an.