Dierk Seidel

Es gibt Häuser, nicht viele, die höher sind als dieses, und dennoch sind es Geschichten von oben, die so kommen und gehen. Mal kurz, mal lang. Im Dämmerlicht. In der Morgensonne. In tiefster Nacht oder auch ganz zeitlos. Geschichten von oben.

Dachbetrachtung

Ich sitze auf dem Dach und beobachte die Außenwelt. Zumindest das, was ich von hier oben sehen kann. In meiner Wohnung habe ich manchmal das Gefühl, ich werde von den Menschen in den gegenüberliegenden Wohnungen oder dem einen höher gelegenen Haus beobachtet, gerade wenn abends das Licht an ist. Hier auf dem Dach fühle ich mich frei und gar nicht beobachtet, obwohl letzteres hier vermutlich am wenigsten stimmt. Und dennoch bin ich gar nicht so oft hier oben.

Mein Blick schweift rüber zur Gemeinschaftsdachterrasse des Nachbarhauses, die wie ein Präentierteller schräg unter uns liegt. Ein Mann und eine Frau trainieren mit Langhantelstangen und Gewichten. Meist wird die Dachterrasse für Bandproben, Grillfeste und Bierpongturniere genutzt oder im Sommer für eine Mittagspause im Sonnenschein. Heute für’s Training. Back Squats, Front Squats und noch diverse andere Übungen.

Ich frage mich, ob die beiden ihre Hantelstangen mit dem Fahrstuhl hochgefahren haben, oder die Treppe genommen haben. Das wäre schon eine erste Trainingseinheit gewesen, nicht den Fahrstuhl zu nehmen. Als ich mir Hanteln und Gewichte bestellt hatte, musste ich ohne Fahrstuhl auskommen. Ein Glück war ich zu Hause, als die Pakete kamen. Den ganzen Kram mit dem Fahrrad von irgendeiner willkürlichen Paketdienstleisterzweigstelle aus den Tiefen der Stadt abzuholen, hätte ich dann auch nicht gewollt. Dann lieber fünf Stockwerke Altbau ohne Fahrstuhl.