Dierk Seidel

Bloß nicht zappeln

Plötzlich schrie Nele auf und zeigte auf mich.

„Da, da, eine Wespe über Ihrem Kopf.“

Ich wollte wegrennen, dachte mir aber, nur keine Panik, nicht aggressiv machen. Ich bewegte mich nicht, die Wespe schwirrte weiter. Richtung Kind 1. Es sprang wild durch die Gegend.

Ich sagte immer wieder:

„Beruhigt euch, ihr macht sie nur aggressiv.“

Aber die Kids konnten oder wollten mich nicht hören, sie tanzten wild hin und her, wedelten mit den Armen, zuckten zusammen, kreischten. Und das alles an ihren Plätzen. Coronabedingt müssen die Plätze eingehalten und dokumentiert werden. Die Wespe hatte keinen festen Sitzplatz.

Sie schwirrte noch ein Weilchen durch den Klassenraum, als Celine schrie:

„Fenster zu, alle Fenster zu, sie ist draußen.“

Die Fensterkinder standen auf und schlossen automatisiert die Fenster. Sie kennen das Prozedere. Alle 20 Minuten für 5 Minuten Stoßlüften. Aerosole verschwinden und Wespen kommen. Es wurde ruhiger in der Klasse. Alle saßen wieder.

„Diese Scheißviecher. Junge, die war auf meiner Nase“, schimpfte Fynn.

„Du hast auch ganz schön herumgefuchtelt, das macht die aggressiv“, erwiderte ich.

„Ja, Mann. Aber die war schon vorher aggressiv. Auf meiner Nase. Trotz Maske. Alter, Wespen im November.“

Ich überhörte gepflegt das Mann, das Alter und seinen gesamten Tonfall, schloss auch das Fenster am Pult und fuhr mit dem Unterricht fort.