Dierk Seidel

Alles aus und vorbei

Vor ca. fünf Jahren öffnete unten an der Ecke ein asiatischer Imbiss und man muss zugeben, dass wir mit der Zeit doch recht regelmäßige Kunden wurden. Immer mit einem schlechten Gewissen im Gepäck, wenn man wieder mal neben dem Essen auch zu viel Müll mit hochnahm.

Bis 15 Uhr gab es die Mittagskarte, manchmal auch bis 15:10 Uhr, wenn der Zug von der Arbeit nach Hause mal wieder länger brauchte. Da waren sie nicht so genau. Schnell ging es auch. In der Zeit, in der ich am Mülltonnenrausbringtag die Mülltonnen rausbrachte, kochten sie im Imbiss fix die gewünschten Gerichte. So war das. Und dabei wurde nie viel gesprochen. Einmal zog abends eine Demo von Aluhutträgern vorbei und wir, der Mann vom Imbiss und ich, schüttelten nur voll Unverständnis mit den Köpfen.

Doch dann, es ist erst wenige Wochen her, kam ich hinein und wollte bestellen.

Der Imbissmann sagte:

„Hey, wie geht’s dir?“

Ich war irritiert und gleichzeitig überaus begeistert, ließ mir aber nichts anmerken. Nach fünf Jahren sind wir nun endlich per „Du“.

„Müde“, sagte ich.

„Viel Arbeit?“, fragte er.

„Ja“, sagte ich.

„M15 zum Mitnehmen?“

„Ja, genau, danke.“

Großartig. Ich liebe solche Gespräche. Dann wartete ich auf mein Essen.

Als ich vor Kurzem von einer Dienstreise zurückkam, achtete ich nicht weiter auf den Imbiss. Es war spät, er hatte sicher schon dicht. Am nächsten Tag auf dem Weg in die Stadt standen meine Frau und ich an der Ecke und blickten auf den ehemaligen Imbiss. Das kam unerwartet. Alles aus und vorbei. Das Inventar herausgerissen. Die Leuchtreklame weg. Dort wo sie gehangen hatte, sah man nun wieder die Aufkleber vom Vorgängerimbiss.

„Schade, wir waren doch gerade erst beim Du“, sagte ich.

Während wir so starrten, kam ein Mann auf uns zu. Es war der Mann, der hier im Viertel immer alles weiß.

Er plapperte direkt los:

„Die Mieten wurden hier verdoppelt, erst neulich. Das konnte der nicht mehr auffangen. Und dann mit dem Baugerüst. Da kommt ja keiner.“

„Ich hatte immer den Eindruck, es liefe gut. Schade. Alles vorbei.“

„Der hat ja noch andere Filialen“, erwiderte der Mann.

Aber die kennen mich nicht, dachte ich.