Kurzgeschichten, Fabeln uvm.

Tiefer als 5000 Meter muss ich heute nicht. Muss ich nie. Tiefer geht es nur für berühmte Regisseure oder Tauchroboter. Ich bin Ingenieurin, ich teste diese Tauchboote bloß. Ich teste sie für Leute wie meinen Mann, den Meeresbiologen, der sich in den Nächten vor meinen Tauchgängen jedes Mal nervös an mich klammert, als würde er mich bald für immer verlieren.

Lest Dierk Seidels berührende Kurzgeschichte ‚Der alte Hannes‘ auf Hoch- oder Plattdeutsch!

An was ich mich allerdings noch deutlich erinnere, ist, wie ich dann dort saß, im leeren Raum. Allein, auf dem Lehrersessel am Lehrerpult vor dem Lehrercomputer, in stiller Einkehr und noch mindestens fünf regungslose Minuten, in denen ich diese Stunde das erste Mal rekapituliert habe, um herauszufinden, was zum Henker da eigentlich passiert ist.

Yasmin Alinaghi Kurzgeschichte: la vie en rose
Sarah Chiyad Kurzgeschichte: Circus

„Bin ich zu spät?“, fragte Mina. Das abgewetzte Zirkuszelt, in das sie gerade eingetreten war, flatterte im auffrischenden Wind.
„Ah, bonjour petit madame. Zu spät? Was heißt zu spät? Komm näher.“ Der große Jean Marseille saß auf der untersten Ebene der Zuschauertribüne. Sein geschminktes Gesicht lag zur Hälfte im Schatten. Der falsche Mund wirkte in dem schwachen Licht blutrot. Als hätte man ihn aufgeschnitten, dachte Mina und bereute beinahe, dass sie gekommen war.

Yasmin Alinaghi Kurzgeschichte: Sommerbereifung

Zum Flughafen Charles de Gaulle hatten sie es immerhin geschafft, das war ein Schritt in die richtige Richtung. Marie wollte unbedingt nach Hause und verspürte keinerlei Lust auf eine weitere Nacht in Paris. Als freie Journalistin war sie in der französischen Hauptstadt gewesen, um für „die Kunstzeitung“ über die Ausstellung „Kunst, Film & Politik“ von Dario Azzellini zu berichten. Als es während der Ausstellungseröffnung im Centre Pompidou zu schneien begann, wusste sie sofort, dass schnelles Handeln gefordert war.